Willensfreiheit vs. Determinismus

Auf den Punkt gebracht:

Wobei ich folgendes anfügen würde: Ausser unser Empfinden, dass wir einen freien Willen hätten und die Tradition, dies zu denken, spricht nichts für einen solchen. Bauchgefühle können bekanntlich täuschen.

Dagegen spricht alles, was wir wissen, für eine deterministische Position.

Willensfreiheit vs. Determinismus

24 Gedanken zu “Willensfreiheit vs. Determinismus

  1. Dagegen spricht alles, was wir wissen, für eine deterministische Position.
    Keineswegs! Wer immer „wir“ sein soll: Sie jedenfalls scheinen weder Geert Keil’s Büchl „Willensfreiheit und Determinismus“ zu kennen noch Bennett & Hacker’s „Philosophische Grundlagen der Neurowissenschaften“ oder Peter Janich’s „Kein neues Menschenbild“. Möglicherweise haben Sie auch noch nicht davon gehört, dass vor Jahren schon die bisherige Deutung der Libet-Experimente experimentell widerlegt wurden wie überhaupt unsicher und entsprechend umstritten ist, was mit Experimenten von Typ Libets überhaupt gemessen wird.

  2. Ich habe durchaus einige Bücher in dem Bereich gelesen und mir ist noch keiner begegnet, der mir ein überzeugendes Argument gegen den Determinismus geliefert hätte.

    Die Libet-Experimente habe ich überigens nicht erwähnt – durchaus auch bewusst. Überigens halte ich die Experimente der Neurowissenschaft ja für sehr interessant und gewinnbringend, weil sie einem mehr Details erschliessen. In der Willensfreiheitsdebatte halte ich sie aber für nicht entscheidend.

    Vielmehr ist es doch so, dass der Streit eigentlich schon im 19. Jahrhundert entschieden worden ist, und zwar auf philosophischer Ebene. Entweder der Wille ist determiniert, dann ist er unfrei. Oder er ist nicht-determiniert und damit zufällig, dann ist er auch unfrei – denn das ist nicht die Freiheit, die wir meinen. Tertium non datur, die Freiheit, die wir meinen, ist schon in sich unlogisch. Die Argumentation, des Handels „aus Gründen“ vermag als tertium auch nicht zu verfangen: Im Entscheidungsprozess im Gehirn sind auch Gründe „nur“ ihre physikalische Repräsentation.

    1. Lukii schreibt:

      „Entweder der Wille ist determiniert, dann ist er unfrei. Oder er ist nicht-determiniert und damit zufällig, dann ist er auch unfrei“
      Aber ist der Wille loß weil er Determiniert ist auch unfrei? ich bin der Meinung das wir unseren Willen durch unsere eigenen Bedürfnisse Determienieren und genau das macht meiner Ansicht nach die freiheit dieses willen aus.
      Das es einen Teil useres selbst gibt den wir nicht kontrolieren können, nämlich das Unterbewustsein (nach Freud, das Überich und auch das Es) ist klar. Und genau von diesem werden unsere Determiniert. Aber da oben genannte zu unserem selbst, unsere Persönlichkeit gehören, finde ich das man es durchaus noch unseren freien Willen nennen kann.
      Hoffe das ist ein Überzeugendes Argument.
      Liebe Grüße
      Lukii

    2. @Lukii:
      Auch das Unterbewusstsein ist ein Ergebnis von physikalischen Prozessen. Die Anordnung der Komponenten ist zwar – wie beim Rest des Gehirns – bei jedem Menschen verschieden. Deshalb sind wir verschieden und unsere Entscheidungen durchaus individuell. Nur sind sie nicht frei. Das Problem ist, dass man vieles „freier Wille“ nennen kann. Wenn du die Tatsache, dass dein Gehirn andere Entscheidungen trifft als alle anderen Gehirne so nennen willst, dann kannst du das natürlich tun. Nur wird normalerweise darunter verstanden, dass du mit deinem Gehirn in exakt der selben Situation völlig anders hättest handeln können. Im Strafrecht beispielsweise wird nach vorherrschender Auffassung der Verbrecher deshalb bestraft, weil er sich in der konkreten Situation frei für die Tat und nicht dagegen entschieden hat, obwohl er es (angeblich) gekonnt hätte.

  3. Der Determinismus ist ein Gedankenmodell und damit ein logisches Konstrukt. Schon in der Physik ist das bekanntlich aber nicht auf alle dort beobachtete Vorkommnisse anwendbar. Allein deswegen schon ist die „Hypothese“, in der Welt gehe es überall deterministisch zu, unhaltbar oder „falsch“ (ein Lehnwort aus dem Lateinischen, das wörtlich täuschend bedeutet!).

    Abgesehen davon ist eine Unterstellung dieser Art, mit der man „der Welt“ als Ganzes, dem Kosmos oder „All“ etwas andichtet – allem also – sog. Meta-Physik und damit keine Physik mehr, sondern etwas daneben – ‚meta‘ eben…

    Noch dazu gilt, dass unbeschränkte Allsätze nie beweisbar sind! Seit Popper kann das Wissen um die Problematik von All-Aussagen – logisch sind das alle Sätzen mit dem Allquantor – als Allgemeingut gelten. Ein Großteil seines Werkes besteht doch darin einsichtig zu machen, dass Allsätze nur widerlegt werden können. Wenn man das akzeptiert, hat die moderne Physik den Glauben daran, dass alles Geschehen in der Welt deterministisch sei, bereits vor Jahrzehnten empirisch widerlegt.

    Warum sollte übrigens „die Welt“ sich überhaupt nach unseren Vorstellungen richten – und seien die noch so logisch?! Es ist wissenschaftsmethodisch doch genau umgekehrt: wir beschreiben viele Geschehnisse in der Welt ausreichend genau nach dem Vorbild unseres deterministischen Denkmodells – bei vielen anderen reicht das nicht; da benötigen wir differenziertere Beschreibungen.

    Genau das ist bei dem Thema „Willensfreiheit“ der Fall. Mit diesem Begriff beziehen wir uns auf etwas, für was wir noch viele andere Bezeichnungen haben wie beispielsweise freiwillig, aus freien Stücken, das ist mein (ggf. letzter…) Wille, ich will, von mir aus, selbst bestimmt, aus eigenem Antrieb und dgl. Hier geht es um die Handlungsweise, die wir mit „Willensbildung“ bezeichnen. Im Zusammenhang damit ist vieles zu berücksichtigen, bei dessen Kennzeichnung wir auch den Begriff ‚frei‘ mitverwenden, nämlich Wahlfreiheit, Entscheidungs- und Entschließungsfreiheit, Handlungsfreiheit auch und sogar Gedankenfreiheit.

    Wovon wir uns mit Willensbildung ‚frei‘ machen, kann m.E. nur und muss deswegen in diesem Rahmen analysiert und bestimmt werden. Leider kenne ich hierzu keine wissenschaftlichen Überlegungen, auch nicht aus der etablierten Volitionspsychologie, wie man die wissenschaftliche Beschäftigung mit Willens-„prozessen“ nennt. Ich kann deswegen nur auf meine eigenen im (derzeit) ersten Text hier verweisen, die in zwei weiteren Texten weiter unten etwas mehr ausgeführt werden.

  4. In der Physik und damit in der Welt ist tatsächlich nicht alles deterministisch – es gibt nicht-deterministische Elemente. Nur sind die in keiner Weise „frei“, sondern zufällig. Was ich postuliere, ist nicht eine rein deterministische Welt, welche – wie Sie bemerken – ja schon durch die quantenphysikalischen echten Zufälle widerlegt wäre. Was ich behaupte ist, dass die Vorgänge im Universum rein logisch entweder determiniert oder zufällig sind, wodurch kein Raum für die sogenannte Willensfreiheit bleibt.

    Ich glaube auch nicht, dass die von Ihnen vorgeschlagen sprachlichen Differenzierungen weiterführend sind – im Gegenteil. Alles was sie Beschreiben, sind letztlich Funktionen des physikalischen Systems Gehirn. Ich habe die Vermutung (bitte korrigieren Sie mich, wenn ich sie missdeute), Sie unterscheiden zwischen dem „Ich“ und „seinem Gehirn“? Zwischen Gedanken und ihren neuralen Repräsentationen? Sind der Ansicht, die Gedanken seien in irgend einer Form unabhängig von letzteren? Sehen uns möglicherweise sogar als nicht rein-physikalische Wesen?

    Nun könnte man die Diskussion natürlich auf die psychologische Ebene verlagern. Man könnte anfangen, über Motive zu sprechen, statt über neurale Verschaltungen. Nur würde das prinzipiell nichts ändern: Würde man alle Motive im Bezug auf eine Entscheidung und alle weiteren geistigen Dispositionen einer bestimmten Person in Quantität und Qualität genau bestimmen können, würde man ebenso zum Schluss kommen, dass die bestimmte Person in der bestimmten Situation sich nicht anders entscheiden könnte, als genau so, wie sich sich entscheidet.

    Das Selbstbewusstsein unserer Gehirne, ihre Projektion von neuralen Verschaltungen und Vorgängen in Bilder und Worte, ist zweifellos eines der grössten naturwissenschaftlichen Rätsel. Möglicherweise eines, das wir niemals lösen werden können.

    Nur spricht dies noch lange nicht dafür, uns als dualistische Wesen zu sehen, die nur teilweise Teil der natürlichen Welt sind.

    Soweit wir Teil der natürlichen Welt sind, soweit sind die Gedanken unserer Gehirne und dadurch erzeugten Handlungen unserer Körper durch a) Kausalvorgänge oder b) (echte) Zufälle determiniert.

    1. Wenn ich den Beginn Ihres Eingangssatzes „in der Physik und damit in der Welt“ wörtlich nehme, sieht es so aus, als ob Sie die Wissenschaft „Physik“ mit „der Welt“ oder Realität gleichsetzen. Eine derartige „realistisch“ genannte Auffassung wissenschaftlicher Aussagen ist aber seit langem umstritten, und zwar schon aus dem einfachen Grund, weil die sprachliche Beschreibung der Wirklichkeit nicht „die Wirklichkeit“ selbst ist und sein kann.

      (Die sprachliche Verfasstheit von wissenschaftlichen „Denkmodellen“ etwa im Unterschied zur sinnlichen Wahrnehmung von Wirklichkeitsaspekten wird vom Common-Sense-Realismus, einer „Weltanschauung“, die oft auch „naiv“ genannt wird, immer übersehen.)

      Ich achte deswegen stets auch darauf, wie sich jemand schon sprachlich ausdrückt. An Ihrem Sprachgebrauch fällt mir auf, dass Sie möglichst physikalistisch formulieren und argumentieren, obwohl Argumentationen natürlich nur „logisch“ sind und sein können; in üblicher mentalistischer Ausdrucksweise: dass Sie in physikalischen Vorstellungen denken – wie logisch auch immer.

      Das allerdings mit bemerkenswerter Konsequenz.

      Sie scheinen nämlich Ihre Gedanken und Vorstellungen bis hin zu Ihrer Ausdrucksweise, sogar Ihren Sprachgebrauch also als Produkte Ihres Gehirns anzusehen. Ich komme darauf, weil Sie schreiben, „Bilder und Worte“ kämen Ihrer Ansicht nach durch „Projektion von neuralen Verschaltungen und Vorgängen“ in unseren Gehirnen zustande.

      Konsequent weitergedacht müsste ich danach allerdings annehmen, dass Sie selbst gar keine Ansichten haben oder auch nur entwickeln könnten, weil auch die weiter nichts als „Projektionen“ aus Ihrem Gehirn wären, wenn es „wirklich“ so wäre, wie Sie schreiben. (Nebenbei gefragt: Sehen Sie dann auch Ihre Postulate als Leistungen Ihres Gehirns an bzw. als Ergebnis seiner „Verschaltungen“ oder als Folgen hirniger „Vorgänge“? Oder kurz gefragt: projiziert Ihr Gehirn Ihnen auch Ihre Postulate? Und wie funktionieren diese „Projektionen“ nach Ihren physikalischen Kenntnissen oder Vorstellungen eigentlich?)

      Nach diesem Selbstverständnis (NB: mit Kurz- oder Kunstausdrücken wie „Ich“ oder „Selbst“ ist in der Psychologie das Gesamt des eigenen Selbstverstehens gemeint, also das eigene „Selbstbild“) müssten Sie sich als eine Art Sprachrohr Ihres Gehirns begreifen, das Ihnen „projiziert“, was Sie hier schreiben.

      In diesem Bild wären Sie eine Art Projektionsfläche Ihres Gehirns, sein Anhängsel und ausführendes Organ. Wenn Sie sich selbst so begreifen, dürften Sie Ihr Selbstverständnis, das Sie hier formulieren, allerdings nicht mehr als Ergebnis Ihrer sprachlichen Konstruktionen, Postulate und logischen Überlegungen ansehen, wie ich das tue (und tun muss, weil ich nur Ihre Worte habe), sondern müssten es konsequenter Weise für die Projektion Ihres Hirns halten – bis hin zu Ihren dann eigentlich logisch nur aussehenden Argumentationen, weil ja nicht Sie logisch denken, sondern Ihre Gedanken und Worte von ihrem Hirn projiziert bekommen.

      Und „ich“ (nach üblichem Sprachgebrauch… ) würde nach Ihrer Konstruktion lediglich über Sie oder mittels Ihnen eigentlich mit Ihrem „Gehirn“ korrespondieren, dem physikalischen System „in“ Ihrem Kopf, das so genannt wird –

      und nicht „einfach“ mit Ihnen als Person.

      Nebenbei noch: Wer ist hier eigentlich nu „Dualist“?

  5. Bezüglich der Unschärfe meiner Sprache bzw. der unzutreffenden Ausdrucksweise haben Sie recht.

    Was ich ausdrücken will, ist ein naturlistisches Welt- und vor allem auch Menschenbild. Wir und unser „Geist“ sind Produkt der Evolution, einer Evolution, die bei einfachen chemischen Verbindungen anfängt und sich kontinuierlich bis in den Seitenzweig homo sapiens fortsetzt. Da gibt es schlicht keinen plausiblen Platz für ausserhalb der natürlichen Determination stehende, „freie“ Willensbildungsvorgänge. Und wenn doch, dann müsste schon etwas substantiierter behauptet werden, wie das funktionieren soll. Und welche Lebewesen ausser dem Menschen haben denn noch einen freien Willen? Schimpansen? Ratten? Lachse? Regenwürmer? Einzeller? Viren?

    Mein Selbstverständnis kommt tatsächlich dem nahe, was Sie beschreiben. Ich bin mein Gehirn. Wenn mein Gehirn kapput geht (was früher oder später in der einen oder anderen Form passieren wird), dann höre ich auf zu existieren. Dass erleben wir schliesslich bei allen Menschen, deren Hirn kapput geht.

  6. Sie haben aber ein arg ‚beschränktes‘ Selbstverständnis, wenn ich Ihre Aussage wörtlich nehme, nach der SIE aufhören „zu existieren, wenn IHR „Gehirn kaputt“ ist.

    Sind Sie nicht entschieden, ja wesentlich mehr als Ihr Gehirn? Können Sie nicht vieles tun, was Ihr Hirn nie und nimmer „kann“, etwa laufen, springen, schreiben oder vielleicht auch – frei nach dem Titel des FAZ-Artikels hier – Fahrrad fahren, schwimmen und vieles mehr?

    Sie scheinen die Folgen der Ihnen bewussten „ Unschärfe (Ihrer) Sprache bzw. (Ihrer) unzutreffenden Ausdrucksweise“ nicht zu überblicken.

    Dann „muss“ ich Ihnen die Lektüre des zweiten von mir anfangs genannten sprachkritischen Werks von Bennett & Hacker zu den begrifflichen „Grundlagen der Neurowisschenachaft“ ja geradezu empfehlen, das im April jetzt bei der WBG (Wiss.Buchges.) in Darmstadt endlich auch auf Deutsch erschienen ist. (Das ebf. von mir genannte Taschenbuch von Peter Janich ist zwar auch der „Sprache der Hirnforschung“ bzw. der „Sprachvergessenheit“ vieler ihrer Betreiber gewidmet; sein Ansatz ist aber „grundsätzlicher“ und das Gros seiner Feststellungen allgemeiner.)

  7. Natürlich verfüge „ich“ auch über einen Körper, welcher mir die genannten Tätigkeiten vorzunehmen erlaubt. Ich sehe aber wirklich nicht, was dies mit der Willensfreiheit zu tun hat. Jemand klügeres als ich hat es einmal so ausgedrückt: Wir können tun was wir wollen, aber nicht wollen, was wir wollen.

    Solange man seine Zuflucht nicht in immateriellen Seelen nehmen will, ist es schwer vorstellbar, wie unsere Wünsche, Wahrnehmungen und Überzeugungen handlungswirksam werden sollen, wenn sie nicht neural realisiert sind. (So Pauen Michael, Roth Gerhard: Freiheit, Schuld, Verantwortung. Grundzüge einer naturalistischen Theorie der Willensfreiheit – die überigens meiner Meinung nach scheitert, weil, wenn auch sehr elaboriert, die „Willensfreiheit“ einfach durch „Handeln entsprechend der uns zuschreibbaren Wünsche, Überzeugungen und sonstigen Motive und damit selbstbestimmt und frei“ neu definiert wird.)

    1. Na ja, Schopenhauer hat ein sehr spezielles Verständnis von „Wille“, das von der umgangssprachlichen Verwendung, wie ich sie oben angesprochen habe, weit, sehr weit weg ist, wenn er sich davon nicht völlig losgelöst hat und seine Gedanken in alter, aber keineswegs ehrwürdiger philosophischer Tradition „absolut“ gesetzt hat.

      Sein berühmter Satz, nach dem „der Mensch“ tun kann, was er will, aber nicht wollen kann, was er will, ist in seinem zweiten Teil entweder eine sinnleere Tautologie, wie schon rein sprachlich erkennbar ist, oder in ihm wird das Verb ‚wollen‘ in zwei verschiedenen Bedeutungen verwendet. Letzteres scheint mir eher der Fall zu sein. Schopenhauer würde dann schlicht mit Äquvokationen arbeiten, also mit Mehrdeutigkeiten.

      Vor allem aber war er ein miserabler Psycholog‘. Er kannte bei Mensch und Tier offenbar nur kindliches Begehren, blinde Triebe und dunklen Drang, stellte sich aber das gesamte Geschehen in der Welt als das Wirken eines ganz und gar unmenschlichen allgemeinen „Willens“ vor. (Offensichtlich stand bei dieser vorwissenschaftlichen Konstruktion die alte Kreation oder Vorstellung vom Willen des „Allmächtigen“, der auch alles macht, Pate.)

      Von realer Willensbildung, die auf wenigstens einem kurzen Entschluss zu einer wie immer festgestellten Handlungsmöglichkeit, oft aber auch auf einigem Überlegen beruht, insb. der Klärung von Handlungsmöglichkeiten und von persönlich wichtigen Handlungsalternativen, ihrer Einschätzung und Gewichtung, dem Erwägen und Abschätzen absehbarer Folgen u.v.a.m., ist dabei jedenfalls nicht die Rede. Absichtliches oder gewolltes Tun, zu dem man sich von sich aus aufgrund mehr oder weniger „ruhigen“ und vielleicht sogar „reiflichen Überlegens“ selbst entschieden hat, also ein selbstbestimmt zielgerichtetes und zweckmäßiges, in jedem Sinn des Wortes „bewusstes Handeln“ klammert Schopenhauer offenbar völlig aus.

      Genau das ist aber die Frage bei der Diskussion von Willensfreiheit: Sind wir im Denken, Erwägen, Wählen, Entscheiden und Entschließen sowie unserem darauf beruhendem gewollten Tun in irgendeinem Sinn „frei“ und wenn ja wovon? Psychologisch habe ich das wie schon erwähnt klar machen können. Sie müssten sich auch sachkundig machen, wenn Sie wissen und verstehen wollen, was mit Begriffsbildungen wie Freiwilligkeit, Willensfreiheit und dgl. gemeint ist und wofür dabei „frei“ – von etwas und damit zu etwas anderem… – bzw. „Freiheit“ steht.

      Ein Dualismus irgendeiner Art wie überhaupt irgendeine Metaphysik ist dazu nicht erforderlich, auch kein Seelenbegriff theologischer Provenienz.

      „Psyche“ meint übrigens keineswegs „Seele“! Das griechische Verb psýchein bedeutet atmen und das davon abgeleitete Hauptwort schlicht Atem. (Für den steht im Griechischen auch noch das Wort ánemos zur Verfügung, auf das der lat. Begriff anima zurückgeht, der im christlichen Denken für „Seele“ gebraucht wird.) Psychologie wäre wörtlich genommen daher eine Atemlehre, wenn nicht der Atem bzw. das Atmen als elementares Lebenszeichen schon im Altgriechischen auch, wenn nicht sogar hauptsächlich für Lebendigkeit stünde.

      Es ist für mich als Psychotherapeut ein immer reizvoller Gedanke, unter Psychologie diesem Grundverständnis nach eine Lebenslehre zu verstehen…

  8. Gwendolan schreib: „Was ich postuliere, ist nicht eine rein deterministische Welt, welche – wie Sie bemerken – ja schon durch die quantenphysikalischen echten Zufälle widerlegt wäre.“

    Es gibt keine quantenphysikalischen „echten“ Zufälle. Ein Physiker, der das behauptet – und solche gibt es tatsächlich – ist kein Wissenschaftler. Es gibt Bereiche, in denen wir nicht wissen, was dort vor sich geht und es vermutlich auch nie wissen werden. Daraus lässt sich allerdings schlecht Akausalität schlussfolgern: Sonst müssten wir das an allen möglichen Stellen tun, z. B. beim Wetter…

  9. Das „deterministische“ oder kausalistische Denken hat klare, seit Jahrzehnten geklärte logische Grundlagen (und methodische Anwendungen); ich kann es kurz machen: darauf habe ich in der Diskussion zu dem Spektrum Artikel „Schuld und freier Wille“ hier http://www.spektrum.de/artikel/1030087 ganz unten hingewiesen (direkt: http://www.spektrum.de/artikel/1043087 – s.a. http://www.spektrum.de/artikel/1043141 ) http://www.spektrum.de/artikel/1043087 )

  10. Hallo Herr Dr. Kittel, insbesondere dieser von Ihnen verlinkte Artikel ist wohl die bestmögliche und ehrlichste Antwort von radikalskeptizistischer Seite: http://www.spektrum.de/artikel/1043087

    Allerdings steht diese Art von Skeptizismus, die im Ergebnis auch den eigenen Irrsinn für möglich hält, jenseits jeder wissenschaftlichen Untersuchung – das ist zwar mathematisch logisch, nicht aber physikalisch. Die Wissenschaft als solche in Frage zu stellen, ist im Rahmen von Religion oder Philosophie möglich, im Rahmen der Realwissenschaften aber fachfremd. Und genau darum geht es im Determinismus, um Physik, nicht um Philosophie. Die Frage der Nachweisbarkeit des Determinismus stellt sich im Rahmen der Naturwissenschaften nicht, weil er in diesem Gesamtzusammenhang alternativlos ist. Mit der Infragestellung des Kausalgesetzes wird in gleicher Weise jede – aber auch wirklich jede (!) – empirische Untersuchung in Frage gestellt.

    Ich nehme einen Stift vor mir und lasse ihn 1000 mal herunterfallen. Es gibt physikalische Gesetze, mit denen sich dieser regelmäßige Vorgang beschreiben lässt. Im Kontext Ihrer Betrachtung kann natürlich niemand beweisen, dass es beim 1001 mal immer noch so sein wird. Logisch könnte es auch ganz ander sein, die aufgestellten Schlussfolgerungen der Schwerkraft beruhen lediglich auf einer Schlussfolgerung. Jede (!) Schlussfolgerung der Realwissenschaften schließt aber die allgemeine Geltung des Kausalgesetzes ein. Sonst müsste jede naturgesetzliche Beschreibung den Zusatz enthalten: „… verhält sich nach diesem Naturgesetz so oder auch nicht.“

    Der Determinismus ist Voraussetzung der Naturwissenschaft. Die Behauptung, bei einer Detailbetrachtung brauche dieser grundsätzliche Konsens nicht geteilt zu werden, beruht auf einem Denkfehler.

    Wenn man es so sieht, dass alleinige Prämisse der Naturwissenschaft ist, an der Wahrheit orientiert zu sein und diese auch hinsichtlich der Kausalität ergebnisoffen zu untersuchen, dann wäre das ein erweiterter Konsens. Wer diesen Konsens teilt, muss jedes Naturgesetz konsequenterweise in gleichwertige Relation stellen zu jeder noch so unsinnigen Behauptung – das eben auch alles ganz anders sein kann, selsbt wenn wir es noch so oft als Regelmäßigkeit betrachtet haben. Dementsprechend kann man unendlich viele „Naturgesetze“ dem empirisch festgestellten Naturgesetz als gleichwertig gegenüberstellen.

  11. Was aber könnten wir dann noch? Beweisen Sie doch mal unter dieser Prämisse, dass Sie das oben geschrieben haben, dass Sie logisch denken können oder was auch immer: Unmöglich. Diese Herangehensweise fragt nach einem empirischen Nachweis für das Kausalgesetz, obwohl sie von vornherein jeden empirischen Nachweis ablehnt.

  12. Sie halten nicht beweisbare „Metaphysik“ wie den (weltanschaulichen, metaphsischen oder ontologischen, wie er so alles genannt wird) „Determinismus“ nicht für „Irrsinn“, wie Sie sich auszudrücken belieben? Ich schon, allerdins nicht in dem krassen Sinn dieses Wortes, sondern eher mit Augenzwinkern. Metaphysik ist halt das, was dieser Begriff in etwa wörtlich bedeutet: daneben… (Kennen Sie seine banale historische Herkunft?)

    Methodisch zielen Sie hinsichtlich der Erklärungsleistung von Naturwissenschaft schon in die richtige Richtung, wie ich in dem Diskussionsbeitrag auch darlege, den Sie für „bestmöglich“ erklären – nebenbei Danke dafür! Wenn Sie das „deduktiv-nomologische Erklärungsmodell“ der Naturwissenschaften kennen, wissen Sie doch, dass sein Witz nicht darin besteht, dass damit „die Welt“ erklärt wird, sondern lediglich Ereignisse in der Welt! Nur auf diese Weise vollständig „erklärte“ Ereignisse können als tatsächlich oder real deterministisch gelten. Vom Rest „der Welt“ kann man nichts verlässliches aussagen, weil dieser Rest entweder noch nicht erklärt ist oder anders erklärt werden muss wie etwa bewusstes menschliches Handeln, zu dem methodisches Erklären ja gehört: Regelbefolgung ist etwas anderes als ein deterministisch erklärter Ablauf!

    Darauf beruht der performative Widerspruch, in den alle Apologeten des metaphysischen Determinismus geraten, dass dann auch ihre eigenen Aussagen nur naturgesetzlich ablaufendes Lauteerzeugen wäre wie das Krähen des Eichelhähers beim erschreckten Auffliegen. –

    Oder sind Sie anders informiert?

  13. Die Frage ist, welche Beweisanforderungen man etwa an die Allgemeingültigkeit des Kausalgesetzes stellt. Schraubt man die Anforderungen an die Beweislast hoch genug, kann man die Allgemeingeltung im Grunde jedes anderen Naturgesetzes noch leicher in Frage stellen, als die Grundlage aller Naturgesetze, die Kausalität.

    Je höher man die Anforderungen an einen empirischen Nachweis stellt und Schlussfolgerungen ablehnt, umso mehr bewegt man sich in Richtung des Radikalskeptizismus (http://www.hfrudolph.bplaced.net/Moria.html)

    Warum soll ausgerechnet Regelbefolgung kein deterministischer Ablauf sein? Ebensogut könnte man behaupten, dass im Hirn die Schwerkraft nicht wirkt. Abgesehen davon, dass akausale Ereignisse schlicht undenkbar sind – also nicht logisch möglich – wäre jeder Mensch, der echt akausale Gedankengänge ausführen würde, wahnsinnig – oder selbst wenn dies nur einen minimalen Wahrscheinlichkeitsprozentsatz beim Gedankengang betreffen würde eben partiell wahnsinnig (natürlich verhält sich auch bei einem Geisteskranken nichts akausal, nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen).

    Natürlich sind auch meine Aussagen zwangsläufig determiniert. Sonst wären sie im Grunde auch unbeachtlich, wenn sie auch nur partiell jenseits aller guten Gründe, Überlegungen, Erfahrungen, Prägungen etc. stehen würden. Dass ich morgen etwas anderes sagen kann, hat damit nichts zu tun. Schlimm wäre es aber, wenn ich morgen etwas anderes denken würde und es würde dafür oder dagegen keinerlei Grund geben: Dann wäre mein Verhalten echter Wahnsinn, selbst wenn dies nur einen minimalen Bereich betreffen würde. Allerdings ist diese Überlegung eine ganz andere Herangehensweise, die nicht am Wahrheitsgehalt orientiert ist: Ob ich das schön finde, ob meine Aussagen in Bezug auf die Kausalität dem Krähen des Eichhelhärs vergleichbar sind (nicht in Bezug auf die Überlegungen), spielt keine Rolle für die Frage, ob das so ist! Auch der Emergentismus eimes Schmidt-Salomon ist nichts anderes als indeterministischer Substanzdualismus.

  14. Auch menschliches Handeln ist vollständig physikalistisch reduzierbar. In diesem Sinne ließe sich auch jede Sozialwissenschaft als Teilbereich der Physik ansehen und erforschen: Dass wir das nicht tun und die Sachverhalte auf einer anderen Ebene extrem vereinfacht untersuchen, hat nichts damit zu tun, dass auch sie im Grunde rein physikalischer Natur sind.

    Im Grunde liegen diese Überlegungen alle neben der Sache, weil das Erklärungsmodell des Determinismus real (!) alternativlos ist.

  15. Ooch, das würde ich nicht sagen. Nur müssten Sie sich für eine Verbesserung Ihres Textes besser informieren und das schon sprachlich – etwa über die Vieldeutigkeit des Verbs „empfinden“. Aber Sie dekretieren ja lieber als zu argumentieren.

  16. The matter is easy but complex:
    Die Willensbildung scheint sehr wohl determiniert zu sein von vielen festen aber von nocht mehr variablen, entwicklungs- und situationsbedingten, mit verschiedenen Wahrschienlichkeiten ihrer entscheidungsbeeinflussenden Wirkung Werten, Größen und Faktizitäten im physischen und psychischen
    Bereich ( soweit wir dies mit den uns zugänglichen Kapazitäten unseres Wahrnehmungsapparates ausloten können ).
    Aber eben durch diese meist schwer bestimmbare große Variabilität dieser
    Entscheidungs-Wirkgrößen hinsichtlich Anzahl, Stärke und Art entsteht der
    Eindruck einer zumindest relativen Entscheidungs- und Handlungsfreiheit,
    welche sich wegen unserer begrenzten physischen, psychischen und geistigen Mittel nicht allgemein auf Deterministisches Entscheiden reduzieren läßt, aber im Sinne eines übergeordneten Entilechisch / panpsychistologischen Ansatzes offenbar doch letztlich determiniert ist.

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